Die motorische Aphasie ist eine der häufigsten Sprachstörungen nach einem Schlaganfall oder einer anderen neurologischen Schädigung. Sie betrifft die Sprachproduktion und erschwert es Betroffenen, ihre Gedanken in Worte zu fassen – obwohl sie wissen, was sie sagen wollen.
Dieser Artikel erklärt verständlich, was genau hinter dieser Sprachstörung steckt, welche Formen es gibt, wie die Diagnose gestellt wird und welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Für Betroffene, Angehörige und Fachinteressierte bietet der Beitrag einen tiefen Einblick in Ursachen, Symptome, Prognosen und Alltagshilfen bei motorischer Aphasie.
Was genau ist motorische Aphasie?

Die motorische Aphasie gehört zu den sogenannten nicht-flüssigen Sprachstörungen. Sie tritt meist infolge einer Schädigung im linken Stirnhirn auf, insbesondere im sogenannten Broca-Areal, das für die Planung und Ausführung der Sprachproduktion zuständig ist. Obwohl das Sprachverständnis bei dieser Form häufig gut erhalten bleibt, fällt es den Betroffenen schwer, grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden oder Wörter spontan zu äußern.
Typisch für die motorische Aphasie ist das Sprechen im Telegrammstil, bei dem Präpositionen und Konjunktionen weggelassen werden. Es entstehen verkürzte, oft unvollständige Aussagen. Besonders herausfordernd ist, dass sich Patienten ihrer Störung meist sehr bewusst sind, was zu Frustration führen kann.
Ursachen und neurologische Hintergründe der motorischen Aphasie
Die Hauptursache der motorischen Aphasie ist eine Schädigung des Gehirns durch einen Schlaganfall im Versorgungsbereich der mittleren Hirnarterie, die das Broca-Areal mit Blut versorgt. Auch ein Hirntumor, traumatische Verletzungen oder entzündliche Erkrankungen des Gehirns können zur motorischen Aphasie führen.
Laut MSD Manual Profi-Ausgabe zählt sie zu den neurologischen Krankheiten, bei denen die Sprachfähigkeit nach einem plötzlichen oder schleichenden Ereignis verloren geht. Bei einer fortschreitenden Schädigung, wie sie z. B. durch neurodegenerative Prozesse entstehen kann, verschlechtert sich die Symptomatik kontinuierlich. Entscheidend ist das Ausmaß der Schädigung sowie der Ort der Läsion – nur bestimmte Regionen des Gehirns führen bei Läsionen zur motorischen Aphasie.
Formen und Abgrenzung: Broca-Aphasie als motorische Aphasie
Die Broca-Aphasie ist die bekannteste Form der motorischen Aphasie. Sie wird daher oft synonym verwendet, obwohl es auch andere Formen gibt. Typisch bei der Broca-Aphasie ist, dass die Patienten grammatikalisch stark eingeschränkt sind und ihre Sätze motorisch nicht vollständig artikulieren können.
Im Vergleich zur Wernicke-Aphasie, bei der das Sprachverständnis massiv beeinträchtigt ist, verstehen Patienten mit motorischer Aphasie in der Regel sehr gut, was ihnen gesagt wird – sie können es nur nicht sprachlich ausdrücken. Auch die globale Aphasie, bei der sowohl Sprachverständnis als auch -produktion gestört sind, grenzt sich deutlich ab.
Es gibt verschiedene Formen der Aphasie, die sich nicht nur hinsichtlich der Symptome, sondern auch hinsichtlich der Lokalisation der Schädigung unterscheiden. Eine korrekte Einordnung ist essenziell für die weitere behandlung bestimmter Läsionen.
Typische Symptome bei motorischer Aphasie erkennen

Die Symptome der motorischen Aphasie sind meist eindeutig, aber in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich. Zu den typischen Merkmalen zählen:
- Mühsames, angestrengtes Sprechen
- Verlangsamte Artikulation
- Auslassen von Funktionswörtern (z. B. „ist“, „und“, „mit“)
- Schwierigkeiten beim Wörter finden
- Satzabbrüche oder Wiederholungen
Betroffene sprechen häufig nur in kurzen Sätzen oder einzelnen Wörtern, oft in einem sehr reduzierten sprachlichen Stil. Trotzdem bleibt das Sprachverständnis meist erhalten – ein entscheidender Unterschied zur sensorischen Form.
In vielen Fällen kann auch das Lesen und Schreiben beeinträchtigt sein. Besonders das Schreiben nach Diktat fällt schwer. Patienten machen dabei typische Fehler beim Lesen von Wörtern, lassen Silben weg oder ersetzen Begriffe unbewusst. Auch der qualitative Rhythmus des Sprechens leidet oft, was das Verständnis zusätzlich erschwert.
Diagnose motorische Aphasie: Tests und bildgebende Verfahren
Die Diagnose von motorischer Aphasie erfolgt meist durch Neurologen in enger Zusammenarbeit mit Logopäden und Neuropsychologen. Am Anfang steht das Anamnesegespräch, in dem typische Sprachmuster erfragt und beobachtet werden.
Im Anschluss kommen spezielle Tests zum Einsatz:
- Boston Naming Test: misst die Fähigkeit zur Wortfindung
- Action Naming Test: prüft die Fähigkeit, Tätigkeiten sprachlich zu benennen
- Bildgebung des Gehirns (CT oder MRT): zeigt die genauen Läsionen im Sprachzentrum
Diese Verfahren ermöglichen es, das Aphasie-klassifikationssystem korrekt anzuwenden. Es ist wichtig, zwischen einer motorischen Aphasie und anderen Sprachstörungen wie Dysarthrie zu unterscheiden, bei der die motorische Ausführung des Sprechens beeinträchtigt ist, nicht aber die Sprachfunktion selbst.
Behandlung motorische Aphasie: Wege zurück zur Sprache
Die Behandlung von motorischer Aphasie ist komplex und richtet sich nach der individuellen Ausprägung. Ziel ist es, die verlorene Sprachfunktion möglichst wiederherzustellen oder zu kompensieren. Die Therapie sollte frühzeitig beginnen – idealerweise in den ersten Tagen nach dem auslösenden Ereignis.
Therapieformen:
- Intensive logopädische Übungen zur Verbesserung der Wortfindung und Satzbildung
- Kommunikationshilfen wie Bildkarten oder Apps zur Unterstützung des Ausdrucks
- Training der sprachlichen Automatisierung für Alltagsfloskeln
Die MSD Manual Profi-Ausgabe betont, dass bei motorischer Aphasie ein systematischer Aufbau der Sprache notwendig ist – vom einzelnen Wort zur ganzen Äußerung. Die Therapie ist auf die Umschreibung neurologischer Defizite ausgerichtet.
Logopädische Therapie und Rehabilitation bei motorischer Aphasie

Die logopädische Therapie ist das zentrale Instrument zur Wiedererlangung der Sprachfähigkeit. Bei motorischer Aphasie arbeiten Logopäden mit strukturierten Programmen, angepasst an die Schwere der Störung und die kognitiven Fähigkeiten des Patienten.
In der Rehabilitation wird die sprachliche Therapie oft durch weitere Maßnahmen ergänzt:
- Neuropsychologische Förderung
- Ergotherapie, wenn auch motorische Defizite der rechten Körperhälfte vorliegen
- Schulungen für Angehörige, um mit Kommunikationshilfen sicher umgehen zu können
Ziel ist eine alltagsnahe Förderung, bei der Wörter lesen, Begrifflichkeiten bilden und Sätze sprechen wieder schrittweise erlernt werden.
Prognose bei motorischer Aphasie: Wie gut sind die Heilungschancen?
Die Prognose bei motorischer Aphasie hängt stark vom Zeitpunkt der Behandlung, dem Alter des Patienten, der Größe der Läsion und der Begleitung durch Fachkräfte ab.
Grundsätzlich gilt:
- Jüngere Patienten haben bessere Heilungschancen durch neuronale Plastizität
- Frühzeitige Therapie innerhalb der ersten vier Wochen führt zu besseren Ergebnissen
- Eine hohe Motivation und Unterstützung durch Angehörige fördern den Therapieerfolg
In einigen Fällen bleibt ein Restdefizit bestehen, aber viele Betroffene lernen, mit ihrer Sprachstörung zu leben und sich über alternative Wege mitzuteilen.
Rolle von Angehörigen und unterstützender Kommunikation
Angehörige spielen bei der motorischen Aphasie eine zentrale Rolle. Sie müssen lernen, Geduld zu haben, Missverständnisse auszuhalten und sich auf ein neues Kommunikationsverhalten einzulassen.
Hilfreiche Strategien:
- Fragen so stellen, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können
- Wörter oder Bilder zeigen, wenn die Sprache stockt
- Nicht für den Patienten sprechen, sondern ihm Zeit geben
Viele Angehörige fühlen sich überfordert. Der Bundesverband Aphasie bietet Informationsmaterial, Gruppenangebote und persönliche Beratung für betroffene und Angehörige an.

Menschen mit motorischer Aphasie brauchen im Alltag Struktur, Verständnis und praktische Unterstützung. Digitale Kommunikationshilfen, speziell entwickelte Apps oder Tafeln mit Symbolen können helfen, einfache Sachverhalte auszudrücken.
Weitere Alltagstipps:
- Routinen schaffen: Wiederholung fördert das Gedächtnis
- Geduld zeigen: Fehler akzeptieren und ermutigen
- Kleine Erfolge feiern: auch ein gesprochenes Wort ist ein Fortschritt
Auch kreative Ansätze wie Musiktherapie, Malen oder Bewegungstherapie können den Heilungsprozess positiv beeinflussen, besonders wenn klassische Methoden an ihre Grenzen stoßen.
Fazit: Motorische Aphasie
Die motorische Aphasie ist eine ernstzunehmende Folge neurologischer Schädigungen, insbesondere nach einem Schlaganfall. Sie betrifft die Fähigkeit zu sprechen, obwohl das Sprachverständnis oft erhalten bleibt. Die Broca-Aphasie ist dabei die bekannteste Form.
Eine frühzeitige Diagnose und intensive logopädische Therapie sind entscheidend für die Genesung. Ebenso wichtig ist die Einbindung der Angehörigen, die mit Geduld und gezielter Kommunikation zum Therapieerfolg beitragen können.
Die Behandlung der motorischen Aphasie erfordert Zeit, Ausdauer und professionelle Begleitung – doch viele Betroffene finden mithilfe von Therapie, Rehabilitation und neuen Kommunikationsformen den Weg zurück zu einem sprachlich aktiven Leben.
FAQs: Motorischer Aphasie – Ihre Fragen beantwortet
Was kennzeichnet eine motorische Aphasie?
| Merkmal | Beschreibung |
|---|---|
| Betroffenes Hirnareal | Broca-Areal (linker Frontallappen) |
| Sprachproduktion | Mühsam, langsam, häufig im Telegrammstil |
| Sprachverständnis | In der Regel gut erhalten |
| Satzbildung | Verkürzt, grammatikalisch unvollständig |
| Bewusstsein für Störung | Meist vorhanden – Betroffene wissen, dass sie falsch sprechen |
| Lesen und Schreiben | Oft ebenfalls beeinträchtigt |
| Verwendung von Funktionswörtern | Starke Reduktion oder Auslassung (z. B. Präpositionen, Konjunktionen) |
| Sprechmelodie | Monoton oder abgehackt, reduzierte Qualität des Rhythmus |
Was ist ein Beispiel für motorische Aphasie?
Ein typisches Beispiel für eine motorische Aphasie ist die sogenannte Broca-Aphasie. Ein Patient mit Broca-Aphasie möchte sagen: „Ich möchte heute mit meiner Tochter spazieren gehen.“ Stattdessen sagt er: „Ich … Tochter … gehen … heute …“ – die grammatikalische Struktur fehlt, aber die Bedeutung wird dennoch oft verstanden. Der Betroffene weiß genau, was er sagen will, kann die Worte jedoch motorisch nicht korrekt formen oder aussprechen.
Welche Arten von Aphasie gibt es?
| Form der Aphasie | Hauptmerkmal | Sprachverständnis | Sprachproduktion |
|---|---|---|---|
| Broca-Aphasie | Mühsame, verkürzte Sprache, gutes Sprachverständnis | Erhalten | Stark eingeschränkt |
| Wernicke-Aphasie | Flüssige, aber sinnentleerte Sprache, viele Wortneuschöpfungen | Stark gestört | Flüssig, aber fehlerhaft |
| Globale Aphasie | Schwerste Form, kaum Sprachproduktion oder Verständnis | Stark gestört | Stark gestört |
| Anomische Aphasie | Probleme mit der Wortfindung | Erhalten | Erhalten, aber stockend |
| Transkortikale Aphasie | Ähnlich wie Broca oder Wernicke, aber mit Nachspreche erhalten | Variabel | Variabel |
Ist Dysarthrie eine motorische Aphasie?
- Nein, Dysarthrie betrifft die motorische Ausführung des Sprechens, nicht die Sprachinhalte
- Bei Dysarthrie ist das Sprachverständnis in der Regel nicht gestört
- Dysarthrie ist eine Sprechstörung, keine Sprachstörung
- Ursache sind häufig muskuläre oder neurologische Beeinträchtigungen der Artikulationsorgane
- Bei motorischer Aphasie hingegen ist die sprachliche Formulierung beeinträchtigt, nicht die Aussprache selbst








